Für die große Idee geopfert, im Namen des Guten, Bösen oder Banalen, für Religion oder Wissenschaft, für die Liebe oder den Hass: Menschen sterben und finden Erlösung im Tod. Hört man etwas genauer hin, dann zeigt sich aber, dass Menschen lieber leben wollen. Erlösung im Leben? Das verspricht der Westen. Der Weg dorthin ist lang und dunkel, und nicht jeder findet den Mut ihn zu gehen. Wo ist der Westen?

Hermann Hesse zeigt in seinem radikalindividualistischen Menschenbild den Weg in den Westen. Dort kämpft das Individuum um seine eigene Seele, und begibt sich auf die persönliche Heldenreise in den Himmel. Nein, den Himmel gibt es nicht geschenkt – er will erobert werden. Das Schöne: jeder Mensch darf das tun. Ungemütlich wird es, wenn die Verantwortung für das persönliche Glück auf den eigenen Schultern lastet und die Seele zu erdrücken droht. Was kann ich wirklich ohne die Unterstützung anderer Menschen erreichen? Doch es kommt auf den Menschen an, nicht auf das, was er erreicht hat. Es ist seine Geschichte, die den Unterschied ausmacht.

Hesse schreibt 1917 in Demian auf Seite 7f:
Was das ist, ein wirklich lebender Mensch, das weiß man heute allerdings weniger als jemals, und man schießt denn auch die Menschen, deren jeder ein kostbarer, einmaliger Versuch der Natur ist, zu Mengen tot. Wären wir nicht noch mehr als einmalige Menschen, könnte man jeden von uns mit einer Flintenkugel ganz und gar aus der Welt schaffen, so hätte es keinen Sinn mehr, Geschichten zu erzählen. Jeder Mensch aber ist nicht nur er selber, er ist auch der einmalige, ganz besondere, in jedem Fall wichtige und merkwürdige Punkt, wo die Erscheinungen der Welt sich kreuzen, nur einmal so und nie wieder. Darum ist jedes Menschen Geschichte wichtig, ewig, göttlich, darum ist jeder Mensch, solange er irgend lebt und den Willen der Natur erfüllt, wunderbar und jeder Aufmerksamkeit würdig. In jedem ist der Geist Gestalt geworden, in jedem leidet die Kreatur, in jedem wird ein Erlöser gekreuzigt.“